Esslingen – Kapverden / „Ich liebe das Meer“ schrieb mir Stephan in einer SMS, als er auf den Kapverden angekommen ist. Ja, Stephan ist glücklich auf dem Meer und auf seinem Boot, ich bin glücklich auf dem festen Boden in meiner Heimat, in Esslingen.
Wir sind beide gespalten in unseren Gefühlen, auf der einen Seite steht das, was wir wollen, auf der anderen Seite, dass wir auch zusammen sein wollen. Doch beides geht nicht zusammen. So müssen wir beide loslassen und die Tage nehmen und genießen, wie sie sind. Und in Gedanken sind wir zusammen und nehmen an dem Leben des anderen teil. Nur so können wir beide das „erleben“, was uns gut tut. Eine liebe Segelfreundin schrieb mir: „Deshalb ist es gut, wenn ihr immer in Kontakt seid und ihr euch gegenseitig teilhaben lasst, so bleibt auch die getrennte Beziehung aktiv und wichtig.“ Ja so soll es sein!
Es sind nun gut drei Monate her, dass ich in Cartagena ins Flugzeug stieg und Stephan weitersegelte. Die erste Zeit war hart – für uns beide. Aber nun hat sich der Alltag wieder ein bisschen eingefunden, wenngleich der Schmerz der räumlichen Trennung immer noch nicht ganz überwunden ist. Aber ich bin froh, dass Stephan seinen Traum weitergehen kann und er hat – so habe ich das Gefühl – einen guten Segelpartner gefunden – die beiden sind auf der gleichen „Wellenlänge“, im wahrsten Sinne des Wortes. Und auch Stephan kann die Segelzeit nun besser genießen als mit mir Angsthase.
Die Chenoa liegt noch vor Anker in Tarrafel. Wir skypen oft miteinander, denn mit einer SIM-Karte der Kapverden ist es doch ganz praktisch. Die Skype-Verbindung ist gut, so dass ich gestern sogar meinen kahlgeschorenen Mann mal wieder sehen konnte – und die schöne Bucht, in der die Chenoa liegt. Stephan und Bernhard werden wohl noch ein paar Inselchen erkunden, die Hauptstadt Praia der Kapverden haben sie schon besichtigt, die Fahrt dorthin war eine waghalsige Taxifahrt. „Nichts für dich“, meinte Stephan, denn vor gasgebenden Taxifahrern, die die kurvigen Straßen, an denen es recht steil nach unten geht, als Rennstrecke sehen, habe ich wirklich auch Schiss – also nicht nur auf dem Wasser.
Dann möchten die beiden, wenn die ARC-Segelboote Richtung Karibik aufbrechen, nochmals nach Mindelo in die Marina segeln. Dort wartet Stephan noch auf ein Paket aus Deutschland mit Rotorblätter für den Windgenerator, die während der Überfahrt auf die Kapverden zu Bruch gingen. Es ginge auch so, denn die Chenoa hat ja auch Solarpanel und einen Schleppgenerator – aber besser ist es schon, wenn auch der Wind Energie liefern kann, wenn sie auf dem Atlantik sind.
Die ARC ist die Atlantic Rallye for Cruisers. Die Rallye begann vor kurzem in Gran Canaria, Kanaren. 179 Segelboote fahren nun direkt von dort über den Atlantik in die Karibik, ein anderer Teil mit 61 Segelbooten gönnt sich noch die Kapverden. Deshalb ist die Marina dort im Moment voll und keine weiteren Boote können dort anlegen – höchstens vor Anker in der Bucht. Wir, bzw. vor allem Stephan wollte sich dieser ARC nicht anschließen, denn erstens war für uns immer klar, dass wir nicht in die Karibik wollen, und zweitens wollte Stephan auch nicht so „gesichert“ über den Atlantik. Während der Ralley werden die Schiffe mit Booten begleitet, so dass man immer Funkkontakt hat und auch immer wieder Kontakt mit den anderen Seglern, so dass man sich nicht alleine fühlt. Ein anderer Segler sagte mir jedoch, dass man schon am zweiten Tag alleine ist und die anderen Segelboote nicht mehr sieht.
Wann sich dann Stephan und Bernhard zur Atlantiküberquerung aufmachen, ist noch nicht klar. Es ist noch reichlich Zeit über den Atlantik zu segeln. Die meisten nehmen diese Etappe im Dezember oder Januar in Angriff. Dann sind dort die besten Winde zu erwarten. Doch bei den rund 1.700 Seemeilen bis zu der vor Brasilien vorgelagerten Insel Fernando de Noronha müssen die Kalmen überquert werden. Da muss mit Schwachwind oder gar keinem Wind gerechnet werden. Erst wenn diese überquert sind – also auch der Äquator kommt der Wind von der Südhalbkugel und wird dann die Chenoa nach Brasilien pusten.
Bei mir bestimmt der Alltag wieder mein Leben, wofür ich ganz dankbar bin. Ich gehe morgens zur Arbeit und bin auch gegen Mittag wieder zu Hause – ja, ich habe ein schönes zuhause mit und bei meiner lieben Freundin. Dann habe ich Zeit für Jogging und zum Schreiben, zum Stadtführungen machen und zum ehrenamtlichen Engagement. Im Gegensatz zur Segelzeit bin ich aber auch wieder im Hier und Jetzt angekommen und mich beschäftigt auch die jetzige politische Situation. Fassungslos war ich am Samstag, als ich von den Attentaten in Paris hörte. Indem ich die Nachrichten höre und jeden Tag (viele) Zeitungen lese, erfahre ich viel, was in der Welt passiert. Wie kann ich helfen? Wie kann ich darin meinen kleinen Anteil leisten? Auch hier merke ich, dass ich nur ein klitzekleiner Teil der Welt bin – wie auch auf dem großen weiten Meer.
Stephan ist heute, am Mittwoch, 18. November, auf der Insel Maio ganz im Osten der Kapverden angeschaut. Maio ist ein kleines Inselchen, nichts los, absolut nichts.
Es grüßt von Herzen
Nela